Ermittlung des Emissions-Schalldruckpegels

Ermittlung des Emissions-Schalldruckpegels am Arbeitsplatz einer Bandsäge

Ermittlung des Emissions-Schalldruckpegels am Arbeitsplatz

 

1       Normen zur Bestimmung des Emissions-Schalldruckpegels

Die verschiedenen Möglichkeiten zur Bestimmung des Emissions-Schalldruckpegels am Arbeitsplatz aus Schalldruckmessungen sind als Rahmen-Verfahren in den vier Normen DIN EN ISO 11201 bis 11204 beschrieben. Diese Normen enthalten alle wesentlichen Informationen zur Durchführung der Geräuschmessung und zur Erstellung entsprechender maschinenspezifischer Normen. Neben den in diesen Normen beschriebenen Schalldruck-Messverfahren besteht alternativ auch die Möglichkeit zur Bestimmung des Emissions-Schalldruckpegels mit Hilfe der Schallintensitätsmesstechnik nach der DIN EN ISO 11205.

 

Die DIN EN ISO 11200 stellt die verschiedenen Rahmen-Messverfahren zur Bestimmung des Emissions-Schalldruckpegels kurz vor und dient als Leitlinie für die Auswahl des für eine bestimmte Maschinenart am besten geeigneten Verfahrens.

Die Tabelle 1 gibt einen Überblick über die Rahmen-Messverfahren bzw. Grundnormen zur Bestimmung des Emissions-Schalldruckpegels.

 

Tabelle 1:

Internationale Grundnormen zur Bestimmung der Emissions-Schalldruckpegel für Maschinen

 

Norm

(Ausgabe-Datum)

Messverfahren/

Genauigkeitsklasse

DIN EN ISO 11200 (10/2020)

 

Leitlinien zur Verwendung der Grundnormen zur Bestimmung von Emissions-Schalldruckpegeln am Arbeitsplatz und an anderen festgelegten Messorten

DIN EN ISO 11201 (10/2010)

 

Verfahren für im Wesentlichen freies Schallfeld über
einer reflektierenden Ebene mit vernachlässigbaren Umgebungskorrekturen  

Genauigkeitsklasse 1 oder 2

DIN EN ISO 11202 (10/2010)

 

Verfahren unter Anwendung angenäherter Umgebungskorrekturen

Genauigkeitsklasse 2 oder 3

DIN EN ISO 11203 (01/2010)

 

Verfahren zur Bestimmung der Emissions-Schalldruck­pegel aus dem Schallleistungspegel

Genauigkeitsklasse 2 oder 3

DIN EN ISO 11204 (10/2019)

 

Verfahren unter Anwendung exakter Umgebungskorrekturen     

Genauigkeitsklasse 2 oder 3

DIN EN ISO 11205 (12/2009)   

 

Verfahren für Messungen unter Einsatzbedingungen mit Hilfe der Schallintensitätsmesstechnik

                                                             Genauigkeitsklasse 2 

 

Da die Maschinen einer bestimmten Art nur dann miteinander vergleichbar sind, wenn sie unter gleichen Aufstell- und Betriebsbedingungen (Drehzahl, Last, …) betrieben werden, sind ergänzende maschinenspezifische Normen erforderlich, die auf den Grundnormen aufbauen und die bei der Messung zu realisierenden Betriebsbedingungen festlegen. Diese "Geräuschemissions-Test-Normen" gibt es bereits für viele Maschinen, z.B. für Drehmaschinen, Holzbearbeitungsmaschinen und Textilmaschinen. Alternativ können die erforderlichen maschinenspezifischen Festlegungen zur Geräuschemissionsmessung als ein lärmbezogener Abschnitt in eine umfassende Sicherheitsnorm für die entsprechende Maschinenart integriert werden.

 

Falls diese international abgestimmten maschinenspezifischen Geräuschmessvorschriften für eine zu messende Maschine noch nicht vorliegen, muss der Hersteller selber sinnvolle Festlegungen bezüglich der anzuwendenden Grundnorm und der Aufstell- und Betriebsbedingungen treffen. Das gilt auch für die Festlegung der genauen Position des Arbeitsplatzes. Die Grundnormen machen nur allgemeine Vorgaben zur Festlegung von geeigneten Orten.

 

2       Messverfahren zur Bestimmung des Emissions-Schalldruckpegels

Die verschiedenen Messverfahren zur Bestimmung des Emissions-Schalldruckpegels sollen hier jeweils in wenigen Worten beschrieben werden, um danach das für eine bestimmte Maschine oder Maschinenart am besten geeignete Verfahren auswählen zu können. Zusätzlich werden die Verfahren in einer tabellarischen Übersicht hinsichtlich des Anwendungsbereiches und der zu beachtenden Grenzen miteinander verglichen. Die entsprechende Tabelle informiert auch über die wesentlichen Vor- und Nachteile der einzelnen Verfahren.

 

2.1       Messung nach ISO 11201

Die ISO 11201 beschreibt ein Verfahren zur Messung der Emissions-Schalldruckpegel von Maschinen und Geräten in einem im Wesentlichen freien Schallfeld über einer reflektierenden Ebene, so dass auf eine Korrektur des Umgebungseinflusses verzichtet werden kann. Je nach Umgebungsbedingungen lässt sich damit die Genauigkeitsklasse 1 oder 2 erreichen.

 

Die Messung nach ISO 11201 ist immer dann zu empfehlen, wenn die Maschinen üblicherweise im Freien betrieben werden oder leicht transportabel sind, so dass sie auf einem Messplatz im Freien oder in einem schallabsorbierenden Messraum untersucht werden können. Die Norm erlaubt als einziges Verfahren der Normenreihe eine Messung nach der Genauigkeitsklasse 1, erfordert dafür allerdings einen schallabsorbierenden Messraum oder einen günstigen Messplatz im Freien. Außerdem ist dabei eine Normierung auf die meteorologischen Bezugsbedingungen (Luftdruck und Temperatur) notwendig.

 

Die Messung nach ISO 11201 ist aber auch möglich, falls man relativ günstige Umgebungsbedingungen mit Korrekturwerten K2 von maximal 2 dB einhalten kann, also z.B. bei der Messung von kleineren Maschinen in großen Räumen. Das Ergebnis ist dann der Klasse 2 zuzuordnen.

 

Falls es die Umgebungsbedingungen zulassen, kann man den Emissions-Schalldruckpegel Lp nach ISO 11201 jeweils relativ einfach bestimmen, weil kein Umgebungskorrekturwert ermittelt werden muss und nur der Fremdgeräuscheinfluss zu berücksichtigen ist.

 

2.2       Messung nach ISO 11202

Die ISO 11202 beschreibt die Ermittlung des Emissions-Schalldruckpegels von Maschinen und Geräten unter Einsatzbedingungen, d.h. in üblichen Arbeitsräumen oder im Freien. Der Umgebungseinfluss wird dabei als punktbezogener Korrekturwert K3A für den festgelegten Arbeitsplatz-Messpunkt bestimmt, indem die äquivalenten Absorptionsfläche des Raumes abgeschätzt und ggf. die Richtcharakteristik der Schallabstrahlung der Maschine berücksichtigt wird. Je nach Umgebungsbedingungen ist damit die Genauigkeitsklasse 2 oder 3 zu erreichen.

 

Die ISO 11202 lässt sich mit geringem Aufwand anwenden, falls sich die dominierende Schallquelle an der Maschine lokalisieren lässt und die Schallabstrahlung in Richtung des Arbeitsplatzes nicht abgeschirmt ist. Der A-bewertete Emissions-Schalldruckpegel LpA errechnet sich dann unter Berücksichtigung der ggf. notwendigen Fremdgeräuschkorrektur K1A und einer punktbezogenen Umgebungskorrektur K3A entsprechend der folgenden Gleichung:

 

                  LpA  =  L’pA  -  K1A -  K3A                                                                      (1)

 

mit:

 

 

L’pA

-

A-bewerteter Schalldruckpegel des Maschinengeräusches
einschließlich Fremdgeräusch

 

Lässt sich die dominierende Lärmquelle dagegen nicht zweifelsfrei erkennen, wird die Messung und Auswertung so aufwendig, dass man auch gleich das Verfahren der ISO 11204 anwenden kann, das erfahrungsgemäß ein genaueres Ergebnis liefert.

 

2.3       Messung nach ISO 11203

Nach der ISO 11203 wird der A-bewertete Emissions-Schalldruckpegel LpA aus dem A-bewerteten Schallleistungspegel der Maschine LWA durch Abzug eines festen Betrages Q1 oder eines aus der Messfläche zu berechnenden Maßes Q2 (Messflächenmaß) mit der folgenden Gleichung berechnet:

 

                  LpA  =  LWA  -  Q                                                                                     (2)

 

Die Genauigkeitsklasse ergibt sich dabei aus der Genauigkeitsklasse des Verfahrens zur Bestimmung des Schallleistungspegels zu 2 oder 3. 

Im Grunde macht man bei diesem Verfahren nichts anderes, als dass man von dem Schallleistungspegel LW der Maschine auf den Messflächenschalldruckpegel Lpf in einem bestimmten Abstand zu der Maschine umrechnet (Abzug des Messflächen­maßes vom Schallleistungspegel) und so berechneten mittleren Schalldruckpegel auf der Messfläche als Emissions-Schalldruckpegel der Maschine definiert.

 

Das Verfahren bietet sich vor allem für kleine handgeführte Werkzeuge und Maschinen an, für die man in der Regel eine feste Differenz zwischen dem Schallleistungspegel und dem Schalldruckpegel an dem Arbeitsplatz annehmen kann. Die Anwendung kommt alternativ auch für größere Maschine in Betracht, für die sich kein Bedienplatz bzw. Arbeitsplatz angegeben lässt, z.B. für einen Kompressor, an dem sich allenfalls bei gelegentlichen Kontrollen jemand aufhält.

 

Das Verfahren ist jeweils mit geringem Aufwand anzuwenden, falls der Schallleistungspegel ohnehin bestimmt werden muss oder bereits bekannt ist. Dagegen fällt der Aufwand relativ hoch aus, falls für die Anwendung der ISO 11203 erst der Schallleistungspegel zu ermitteln ist.

 

2.4       Messung nach ISO 11204

Die ISO 11204 beschreibt ein Verfahren zur Ermittlung des Emissions-Schalldruckpegels von Maschinen und Geräten in üblichen Arbeitsräumen sowie im Freien und ist somit für die meisten Anwendungsfälle geeignet. Je nach Umgebungsbedingungen kann das Verfahren der Genauigkeitsklasse 2 oder 3 zugeordnet werden.

 

Wie beim Verfahren nach ISO  11202 errechnet sich der A-bewertete Emissions-Schalldruckpegel LpA unter Berücksichtigung der ggf. notwendigen Fremdgeräuschkorrektur K1A und einer punktbezogenen Umgebungskorrektur K3A (siehe Gleichung 1). Der Umgebungskorrekturwert K3A ist dabei allerdings nach einem etwas aufwendigeren Verfahren zu bestimmen, das neben der Schallabsorption des Arbeitsraumes auch die Richtcharakteristik der Schallabstrahlung mit einbezieht.  

 

2.5       Messung nach ISO 11205

Die ISO 11205 beschreibt ein Verfahren zur Ermittlung des Emissions-Schalldruck­pegels mit Hilfe der Schallintensitätsmesstechnik, wobei die Genauigkeitsklasse 2 erreicht wird. Da der vom Raum verursachte Diffusschall ungerichtet ist, geht er bei der vektoriellen Schallintensitätsmessung nicht mit ein, d.h. es wird nur der von der Maschine abgestrahlte Geräuschanteil direkt erfasst. Zur Ermittlung des Emissions-Schalldruckpegels wird der Schallintensitätspegel am Arbeitsplatz in 3 Achsen eines rechtwinkligen Koordinatensystems gemessen und dann vektoriell addiert.

 

Das Verfahren bietet sich vor allem an, falls die Maschine unter ungünstigen raumakustischen Bedingungen aufgestellt ist, so dass die Schalldruck-Messverfahren nach ISO 11202 und ISO 11204 an ihre Grenzen stoßen. Problematisch ist die Anwendung dieses Verfahrens jedoch bei größeren Maschinen mit weit auseinander liegenden Lärmquellen, bei größeren Reflexionsflächen in unmittelbarer Nähe des Messpunktes sowie bei Fremdgeräuscheinstrahlung durch benachbarte Maschinen und Anlagen. Außerdem sind Messgeräte zur Erfassung von Schallintensitätspegeln extrem teuer und nur bei wenigen Messstellen verfügbar.

 

3          Tabellarischer Vergleich der Messverfahren

 

Um einen Überblick über die verschiedenen Messverfahren zur Bestimmung des Emissions-Schalldruckpegels zu geben, sind die wesentlichen Bedingungen zur Anwendung der einzelnen Verfahren in der Tabelle 2 gegenübergestellt. Darüber hinaus werden dort die wesentlichen Vor- und Nachteile der einzelnen Verfahren genannt. 

 

Tabelle 2:   Überblick über den Anwendungsbereich und die Grenzen der Normen zur Bestimmung des Emissions-Schalldruckpegels

 

 

ISO 11 201

Genauigkeitskl.

1 oder 2

ISO 11 202

Genauigkeitskl.

2 oder 3

ISO 11 203

Genauigkeitskl.

 2 oder 3

ISO 11 204

Genauigkeitskl.

 2 oder 3

ISO 11 205

» Genauigkeitskl. 2

Messumgebung

Im Freien oder in Räumen

Im Freien oder in Räumen

entsprechend Norm zur Bestimmung des Schallleistungspegels

Im Freien oder in Räumen

Im Freien oder in Räumen

geforderte Messumgebung

K2A

Ideales Freifeld – Klasse 1 

K2A 2 dB          – Klasse 2

K2A 7 dB

entsprechend Norm zur Bestimmung des Schallleistungspegels

K2A 7 dB

Lp – LI < 10 dB

mind. 1m Messabstand zur Wand

Max. zulässige Umgebungskorrektur

K3A

keine Korrektur

Nach Anh. A.1:

K3A 4 dB

– Klasse 2

K3A 7 dB

– Klasse 3

entsprechend Norm zur Bestimmung des Schall­leistungspegels

K3A 4 dB 

- Klasse 2

K3A 7 dB 

- Klasse 3

 

Keine Korrektur

erforderlich

Größe der

Schall­quelle

Keine Beschränkung; nur durch die Messumgebung begrenzt

Keine Beschränkung;

nur durch die Messumgebung begrenzt

Besonders empfohlen für kleine Maschinen,

aber auch für große Maschinen geeignet

 

Keine Beschränkung; nur durch vorhandene Messumgebung begrenzt

Keine Beschränkung; nur durch vorhandene Messumgebung begrenzt

Art des Geräusches

Beliebig

(breitbandig, schmalbandig,

diskrete Frequenzen, gleichförmig,

nicht gleichförmig, impulshaltig)

entsprechend Norm zur Bestimmung des Schallleistungspegels

Beliebig

Dauergeräusch,

breitbandig o. mit schmalband. Anteilen

Geforderter Fremdgeräusch-

abstand DL

 DL 10 dB    

– Klasse 1

DL 6 dB      

– Klasse 2

 DL 6 dB     

– Klasse 2

DL 3 dB     

– Klasse 3

entsprechend Norm zur Bestimmung des Schallleistungspegels

 DL 6 dB  

– Klasse 2

DL 3 dB  

– Klasse 3

 

 

DL 10 dB

Messgeräte:

Schallpegelmesser, ggf. Kalibrator

 

 

Klasse 1

 

 

Klasse 1 oder 2

entsprechend Norm zur Bestimmung des Schallleistungspegels

 

 

Klasse 1 oder 2

 

 

Klasse 1

Vorteile

Einfache Anwendung im Freien,

hohe Genauigkeit

Einfache Anwendung

– auch in üblichen    Arbeitsräumen

Einfache Anwendung, falls der Schallleistungspegel bekannt ist

Anwendung in üblichen Arbeitsräumen bei relativ hoher Genauigkeit

Ggf. unter sehr ungünstigen Umgebungsbedingungen einsetzbar

Nachteile

Hohe Anforderungen an die Umgebung

Für viele Maschinen ungeeignet

Ggf. notwendige Bestimmung des Schallleistungspegels

Relativ hoher Mess- und Auswerteaufwand

Erfordert relativ teure Intensitätsmessgeräte und Erfahrung