Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung

          

     Bild 1:  Kennzeichen für Lärmbereiche 

                  (Gebotszeichen  M03 "Gehörschutz benutzen") 

 

Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung (LärmVibrationsArbSchV)    

– Anforderungen und Maßnahmen

  

Die Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung vom 06. März 2007 setzt zwei Europäische Arbeitsschutz-Richtlinien (2003/10/EG "Lärm" und 2002/44/EG "Vibrationen") in nationales Recht um. Um die dort festgelegten Anforderungen zu konkretisieren, hat der Ausschuss für Betriebssicherheit (ABS) die Technischen Regeln (TRLV) für die Bereiche „Lärm“ und „Vibration“ erarbeitet. Bei Einhaltung dieser Technischen Regeln kann der Unternehmer davon ausgehen, dass die entsprechenden Anforderungen der Verordnung erfüllt sind (Vermutungswirkung).

 

Die Technischen Regeln zum Lärm wurden am 23. März 2010 im Gemeinsamen Ministerialblatt, Ausgabe Nr. 18-20/2010 veröffentlicht und liegen inzwischen in einer überarbeiteten Fassung vom 5. September 2017 vor (GMBl S. 590). Die Technischen Regeln gliedern sich in folgende vier Teile: 

-       Allgemeines: Der Allgemeine Teil beschreibt den Anwendungsbereich, die Verantwortung des Arbeitgebers und erläutert die wichtigsten Begriffe.

-       Teil 1: Der Teil 1 beschreibt die Grundsätze zur fachkundigen Durchführung der Gefährdungsbeurteilung und nennt die dafür erforderlichen Prozessschritte. Dabei werden auch Wechselwirkungen zwischen Lärm und Vibrationen sowie zwischen Lärm und arbeitsbedingten ototoxischen Substanzen angesprochen. Weitere Themen sind die Unterweisung der Beschäftigten und die allgemeine arbeitsmedizinische Beratung.

-       Teil 2: Der Teil 2 beschreibt die Durchführung und Auswertung von Lärmmessungen nach dem Stand der Technik und den Vergleich der Messergebnisse mit den Auslösewerten. Außerdem werden die orts- und die personenbezogene Beurteilung und die Anwendung von Tages- und Wochen- Lärmexpositionspegel erläutert. Da ich diesen Abschnitt maßgeblich erarbeitet habe, stimmen die Texte in großen Teilen mit meinen früheren Publikationen überein, z.B. dem Lärmschutz-Arbeitsblatt LSA 01-400 (BGI 5053).

-       Teil 3: Der dritte Teil befasst sich mit Lärmschutzmaßnahmen. Erläutert werden z.B. das Minimierungsgebot und die Rangfolge von Schutzmaßnahmen. Es werden verschiedene grundsätzliche Möglichkeiten der Lärmminderung, wie z.B. Auswahl lärmarmer Maschinen, konstruktive Maßnahmen an der Quelle, raumakustisch wirksame Maßnahmen und organisatorischen Maßnahmen beschrieben. Darüber hinaus wird auch die Auswahl und Anwendung von Gehörschutzmitteln behandelt. Die Beschreibung zur Aufstellung eines Lärmminderungsprogramms orientiert sich an dem seinerzeit von mir vorbereiteten Lärmschutz-Arbeitsblatt LSA 01-305 (BGI 675). 

  

Zur Beurteilung der Lärmexposition gibt die Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung die in der Tabelle 1 angegebenen Auslösewerte vor, die jeweils bestimmte Präventionsmaßnahmen nach sich ziehen, wenn sie erreicht oder überschritten werden. Darüber hinaus werden auch maximal zulässige Expositions­werte eingeführt, die die maximale Geräuschbelastung unter dem Gehörschutz beschrei­ben und unter keinen Umständen überschritten werden dürfen.

 

Tabelle 1:

Auslösewerte und maximal zulässige Expositionswerte nach der
LärmVibrationsArbSchV

 

 

Tages-Lärmexpositionspegel

Spitzenschall-druckpegel

 

LEX,8h

LpCpeak

untere Auslösewerte

80 dB(A)

135 dB(C)

obere Auslösewerte

85 dB(A)

137 dB(C)

maximal zulässige

Expositionswerte

85 dB(A)

137 dB(C)

 

 

In Abhängigkeit von der Lärmexposition sind vom Unternehmer die in der Tabelle 2 zusammengestellten Maßnahmen zu ergreifen.

  

Tabelle 2:    Nach der LärmVibrationsArbSchV erforderliche Maßnahmen

  

§  LEX,8h  ≥ 80 dB(A) oder LpCpeak  ≥ 135 dB(C)

 

       -  Beschäftigte informieren und über die
           Gefahren durch Lärm unterweisen

 

§  LEX,8h  > 80 dB(A) oder LpCpeak  > 135 dB(C)

 

       -  Geeignete Gehörschützer bereitstellen

       -  Beschäftigten arbeitsmedizinische Vorsorge anbieten

 

§  LEX,8h  ≥ 85 dB(A) oder LpCpeak  ≥ 137 dB(C)

 

      -  Lärmbereiche kennzeichnen und Zugang beschränken

      -  Bestimmungsgemäße Verwendung des Gehörschutzes sicherstellen

      -  Regelmäßig Vorsorge veranlassen (Pflichtuntersuchung)

 

§  LEX,8h  > 85 dB(A) oder LpCpeak  > 137 dB(C)

 

      - Lärmminderungsprogramm aufstellen
          und durchführen

 

 

Obwohl hier verschiedene Maßnahmen erst bei Überschreiten der Auslösewerte gefordert sind, z.B. die Kennzeichnung von Lärmbereichen, empfiehlt sich die Umsetzung der entsprechenden Maßnahmen bereits bei Erreichen der entsprechenden Auslösewerte, z.B. ab 85 dB(A), weil eine so feine Differenzierung der Pegel im Grenzbereich (Erreichen/Überschreiten) kaum möglich ist. So muss man beim Erreichen der Auslösewerte im unmittelbaren Bereich der Lärmquellen in jedem Fall auch mit einer Überschreitung der entsprechenden Werte rechnen. Deshalb wird in den Technischen Regeln (TRLV) zum Lärm auch die Kennzeichnung von Lärmbereichen empfohlen, falls einer der oberen Auslösewerte erreicht werden kann (Teil 3, Abschnitt 5).

  

Die in der Tabelle zusammengestellten Aktionen seien in den folgenden Abschnitten kurz erläutert.

  

Gefährdungsbeurteilung 

Ein ganz wesentlicher Schritt zur Umsetzung der Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutz-Verordnung ist die Gefährdungsbeurteilung. Im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung muss der Unternehmer prüfen, ob die Beschäftigten Lärm ausgesetzt sind oder ausgesetzt sein könnten (§ 3). Dabei ist der Lärm nicht nur unter dem Gesichtspunkt der Gehörgefährdung zu betrachten, sondern auch hinsichtlich „einer sonstigen mittelbaren oder unmittelbaren Gefährdung von Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten“. Damit sind also genau genommen alle möglichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen oder Unfallgefahren durch Lärm zu betrachten (siehe z.B. VDI 2058-3).

 

Bei einer gleichzeitigen Belastung der Beschäftigten durch Lärm und Vibrationen sind die gewonnenen Ergebnisse bei der Gefährdungsbeurteilung zusammenzuführen, um damit mögliche Wechsel- oder Kombinationswirkungen zu berücksichtigen. Die Technischen Regeln (TRLV) zum Lärm empfehlen bei entsprechenden kombinierten Belastungen schon ab Erreichen der unteren Auslösewerte präventive Schutzmaßnahmen sowie arbeitsmedizinische Vorsorge (TRLV Lärm, Teil 3, 4.7.2).

 

Darüber hinaus verlangt die Verordnung eine Berücksichtigung von möglichen Wechsel- oder Kombinationswirkungen bei gleichzeitiger Belastung durch Lärm und arbeitsbedingte ototoxische Substanzen. Auch in diesem Fall werden in den Technischen Regeln präventive Schutzmaßnahmen sowie arbeitsmedizinische Vorsorge bereits ab Erreichen der unteren Auslösewerte empfohlen. Es wird allerdings auch darauf hingewiesen, dass ein wesentlicher durch ototoxische Arbeitsstoffe verursachter Hörverlust bei Einhaltung der dafür gültigen Grenzwerte wenig wahrscheinlich ist (TRLV Lärm, Teil 1, 6.5 (3)).

  

Der Arbeitgeber darf die Ermittlung der Lärmexposition nur an fachkundige Personen übertragen, die aufgrund ihrer Ausbildung und Erfahrung über die notwendigen Kenntnisse in der akustischen Messtechnik verfügen und mit den entsprechenden Messnormen vertraut sind. Diese Fachkunde kann z.B. durch eine Teilnahme an einer geeigneten Fortbildungsveranstaltung erworben werden (siehe TRLV „Lärm“, Teil 1).

 

Zur Ermittlung der Lärmexposition kann der Unternehmer neben der direkten Messung auch auf Angaben von Maschinenherstellern, auf eigene Erfahrungswerte oder auf geeignete Datenbanken abstützen. Als Hilfestellung sind im Teil 1 der TRLV „Lärm“ als Anlage 1 zahlreiche Arbeitsverfahren, Arbeitsbereiche, Arbeitsmittel und Berufe zusammengestellt, für die eine Gefährdung gegeben sein kann. Im Anhang 3 dieses Teiles 1 wird erläutert, wie sich die Lärmexposition aus Geräuschemissionswerten abschätzen lässt. Die objektive messtechnische Erfassung der Lärmexposition ist nur dann gefordert, wenn sich die Einhaltung der gegebenen Auslösewerte nicht zweifelfrei feststellen lässt.

 

Die Gefährdungsbeurteilung nach der Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung bzw. der TRLV „Lärm“  erfordert in der Regel die Bestimmung des personenbezogenen Lärmexpositionspegels (siehe Fachinfo „Ermittlung der Lärmexposition nach TRLV“).  Darüber hinaus kann der ortsbezogene Lärmexpositionspegel herangezogen werden, wenn man sich für das in der die TRLV „Lärm“ beschriebene „vereinfachte Vorgehen bei der Gefährdungsbeurteilung auf der Grundlage von ermittelten Lärmbereichen entscheidet (siehe Fachinfo „Vereinfachte Beurteilungsverfahren“).

 

Unterweisung der Beschäftigten

Wird einer der unteren Auslösewerte erreicht oder überschritten (LEX,8h ≥ 80 dB(A) /
LpCpeak ≥ 135 dB), so sind die Beschäftigten über die gewonnenen Ergebnisse und die Gefahren durch Lärm zu informieren.

 

Arbeitsmedizinische Beratung, Vorsorgeuntersuchungen

Nach der Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV) vom 18. Dezember 2008 sollen die Beschäftigten bei Überschreiten der unteren Auslösewerte eine allgemeine arbeitsmedizinische Beratung erhalten. Sie haben Anspruch auf eine vorbeugende audio­metrische Gehöruntersuchung, die ggf. auch in die Unterweisung einge­schlossen werden kann. Wird einer der oberen Auslösewerte erreicht oder überschritten, sind regelmäßige Gehör-Vorsorgeuntersuchungen nach dem berufsgenossenschaftlichen Grundsatz G 20 durchzuführen. Bezüglich der Bedeutung der ArbMedVV und der damit verbundenen Pflichten des Arbeitgebers sei auf den Artikel "Was regelt die Verordnung zur Arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV)" verwiesen.

 

Kennzeichnung von Lärmbereichen

Wird einer der oberen Auslösewerte überschritten, liegt ein Lärmbereich vor. Der Betrieb hat die vorhandenen Lärmbereiche zu ermitteln und mit dem entsprechenden Gebotszeichen M03 „Gehörschutz benutzen“ zu kennzeichnen (siehe Bild oben).

Ein Lärmbereich ist auch dann entsprechend auszuzeichnen, wenn dort keine festen Arbeitsplätze liegen, z.B. in einem Kompressorraum. Auch ein mobiler Arbeitsplatz, z.B. auf einem Gabelstabler, kann bei entsprechend hoher Lärmbelastung einen Lärmbereich darstellen.

  

Entsprechend TRLV „Lärm“ (Teil 3, Abschnitt 5) kann eine Kennzeichnung als Lärmbereich auch für handgehaltene oder handgeführte Maschinen erforderlich sein, falls in der Betriebsanleitung ein A-bewerteter Emissions-Schalldruckpegel von 85 dB(A) oder mehr ausgewiesen wird. Das gilt z.B. für viele auf Baustellen eingesetzte Werkzeuge. Die entsprechende Kennzeichnung gibt dabei unmittelbar einen Hinweis auf die Verpflichtung, bei dem Einsatz dieser Geräte Gehörschutzmittel zu benutzen.

 

Wie bereits erwähnt, empfiehlt sich die Kennzeichnung eines Lärmbereichs bereits bei Erreichen eines der oberen Auslösewerte, obwohl das nach der Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung streng genommen erst bei Überschreitung eines oberen Auslösewertes gefordert ist (siehe auch Empfehlung in TRLV Lärm, Abschnitt 5). Das passt dann auch mit der Tragepflicht von Gehörschutz zusammen, die bereits ab Erreichen der oberen Auslösewerte gilt. Das Symbol für den Lärmbereich mit dem skizzierten Kapselgehörschützer lässt somit erkennen, dass in diesem Bereich Gehörschutz getragen werden muss.  

  

Technischer Lärmschutz

Unabhängig von der Höhe der Lärmexposition besteht nach §7 der LärmVibrationsArbSchV die Forderung, Lärm­belastungen an Arbeitsplätzen zu vermeiden oder soweit wie möglich zu verringern („Mini­mierungsgebot“). Als Maßstab bei der Entscheidung über erforderliche Lärmschutzmaß­nahmen ist jeweils der Stand der Technik zu berücksichtigen, der nach § 2 als „Entwick­lungsstand fortschrittlicher Verfahren, Einrichtungen oder Betriebsweisen“ definiert ist. Techni­sche Maßnahmen haben Vorrang vor organisatorischen Maßnahmen. Erst wenn sich damit keine ausreichenden Lärmminderungserfolge erzielen lassen, kommen persönliche Schutz­maßnahmen durch Gehörschutzmittel in Betracht.

 

Lärmminderungsprogramm

Wird einer der oberen Auslösewerte überschritten, hat der Unternehmer ein Programm mit technischen und organisatorischen Lärmminderungsmaßnahmen aufzustellen und durch­zuführen (§ 7 (5)). Die wesentlichen Schritte im Rahmen der Erstellung eines Lärmminderungsprogramms werden in den Technischen Regeln (TRLV) Lärm, Teil 3 im Abschnitt 7 kurz skizziert. Eine ausführliche Beschreibung der Vorgehensweise in Form einer Handlungsanleitung mit entsprechenden Beispielen enthält das von der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) herausgegebene Lärmschutz-Arbeitsblatt IFA-LSA 01-305  (Juli 2019), das ich noch zu Ende meiner Arbeitszeit im IFA überarbeitet hatte (siehe auch Fachinfo "Lärmminderungsprogramm).

 

Gehörschutz 

Bereits bei Überschreiten von einem der unteren Auslösewerte sind den Beschäftigten geeig­nete Gehörschutzmittel zur Verfügung zu stellen. Wird einer der oberen Auslösewerte erreicht oder überschritten, muss der Arbeitgeber dafür sorgen, dass die Beschäftigten den Gehörschutz auch tragen. Der Gehörschutz ist hinsichtlich seiner Schalldämmung so auszuwählen, dass die Gehörbelastung des Beschäftigten (unter dem Gehörschutz!) die maximal zulässigen Expositionswerte von LEX,8h = 85 dB(A) bzw. LpCpeak = 137 dB nicht überschreitet. Das sollte bei der Auswahl des Gehörschutzes nach der DGUV-Regel 112-194 gewährleistet sein. Zur Unterstützung des Betriebes bei der Auswahl von für die jeweiligen Arbeitsplätze geeigneten Gehörschützern bietet das Institut für Arbeitsschutz (IFA) der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) auf seiner Internetseite ein herunterladbares Auswahl-Programm an.

 

In Lärmbereichen gilt grundsätzlich die Verpflichtung, Gehörschutz zu tragen, auch bei nur kurzzeitigem Aufenthalt in diesem Bereich. Die TRLV Lärm erläutert dazu, dass der Arbeitgeber von einer Überschreitung des maximal zulässigen Expositionswertes ausgehen muss, wenn hier kein Gehörschutz getragen wird (Teil 3, Abschnitt 5(5)).