Klassenraum-Akustik

 

Klassenzimmer mit schallabsorbierender

Holz-Paneel-Decke und Rückwand (in Orange)

 

Akustische Gestaltung von Klassenzimmern

 

1      Einleitung

  

In Unterrichtsräumen kommt es vielfach zu hohen Geräuschpegeln, die sowohl von den Lehrern als auch von den Schülern in starkem Maße als störend und belästigend empfunden werden. Die Schüler haben in akustisch ungünstig gestalteten Räumen oft Probleme mit der Sprachverständlichkeit, so dass sie dem Unterricht nur unter großen Anstrengun­gen oder nur teilweise folgen können. Das führt zu einer schnellen Ermüdung und Beein­trächtigung der Leistungsfähigkeit. Aufgrund verschiedener Studien kann man von einer Verschlechterung der Gedächtnisleistungen von mehr als 20 % ausgehen [1, 2].

 

Für das Lehrpersonal können sich bei hohen Geräuschbelastungen im Unterricht Stress­reaktionen ergeben, die sich z.B. anhand der Herzschlagfrequenz nachweisen lassen [3]. Ein akustisch ungünstiges Klassenzimmer bedeutet für den Lehrer aber auch eine deut­lich stärkere Belastung seiner Stimme, möglicherweise mit der Folge von gesundheitli­chen Problemen.

 

In diesem Beitrag werden die Anforderungen an die Akustik in Klassenzimmern und die danach zu empfehlenden Maßnahmen beschrieben. Als Hilfe für die akustische Ausle­gung von Klassenzimmern wird der IFA-Raumakustikrechner vorgestellt, mit dem sich die Nachhallzeiten in Abhängigkeit von der Gestaltung der Raumbegrenzungsflächen, der Einrichtung des Raumes und der Anzahl der Personen im Raum berechnen lassen.

 

2        Allgemeine Grundlagen der Klassenraumakustik

 

Die Geräuschbelastung in Klassenzimmern entsteht vor allem durch die Sprache des Lehrpersonals und der Schüler. Dabei ist die Sprache in der Regel das Nutzsignal, das nach Möglichkeit an allen Plätzen gut verständlich ankommen soll. Überlagert wird die Sprache vielfach durch ein schwankendes Störsignal, das zum Beispiel durch Flüstern, Stühle rücken oder von außen eindringende Geräusche verursacht wird.

 

Um die Sprache gut verstehen zu können, verlangt man im Allgemeinen ein Nutzsig­nal, das um mindestens 10 dB(A) über dem Störsignal liegt (Signal-Rausch-Abstand 10 dB). Erwachsene können dabei die störenden Hintergrundgeräusche relativ gut ausblenden und unvollständige akustische Informationen im Geiste ergänzen. Kinder sind dazu jedoch weniger in der Lage und werden durch die Störgeräusche viel stärker beeinträch­tigt als Erwachsene [1, 4, 5]. Deshalb benötigen Kinder für eine fehlerfreie Verständigung einen Nutzsignalpegel, der rund 15 dB(A) über dem Störgeräusch liegt. Das gilt insbe­sondere für Nicht-Muttersprachler sowie für das Erlernen einer Fremdsprache.

  

Wenn man davon ausgeht, dass die Stimme eines Erwachsenen beim normalen Spre­chen einen Schalldruckpegel von 50 bis 55 dB(A) erzeugt, sollte der Störgeräuschpegel also möglichst nur 35 bis 40 dB(A) betragen. Tatsächlich liegt der Störgeräuschpegel beim Unterricht jedoch meist eher bei 50 dB(A), so dass der Lehrer gezwungen ist, mit erhobener Stimme zu sprechen, wenn er von allen Schülern verstanden werden will. Dazu kommt noch das Problem, dass der Schallpegel der Stimme über die Entfernung abnimmt und in der letzten Reihe – vielleicht in 8 m Entfernung – deutlich leiser ankommt, während das Störgeräusch hinten mindestens ebenso hoch ausfällt wie im vorderen Bereich der Klasse.

  

Für die Sprachverständlichkeit ist neben dem Störgeräusch bzw. Hintergrund­geräusch vor allem die Nachhallzeit von Bedeutung [4, 6]. Dabei können so genannte „frühe Schall­reflexionen“, die innerhalb von 50 ms nach dem Direktschall auf den Empfänger treffen, durchaus zum guten Verstehen der Sprache beitragen [3, 7, 8]. Unter Berücksichtigung der Schallgeschwindigkeit in der Luft von ca. 340 m/s kann man sich ausrechnen, dass der geometrische Umweg des reflektierten Schalls über die Decke oder Wände im Ver­gleich zum direkten Weg des Schalls nicht mehr als 17 m betragen darf. Die darauf fol­genden mehrfach reflektierten Schallwellen (Nachhall) tragen dazu bei, dass die in der Sprache enthaltenen Informationen verschliffen werden und die Verständlichkeit leidet. Deshalb ist es ganz entscheidend für die akustische Qualität von Klassenzimmern, die Mehrfachreflexionen des Schalls an den Raumbegrenzungsflächen zu vermeiden und die Nachhallzeiten zu begrenzen. In größeren Räumen kann der Schall zwischen zwei parallelen Wandflächen mehrfach periodisch reflektieren, so dass ein „schnarrender“ Klangeindruck entsteht. Man spricht dann von Flatterechos.

  

Die Halligkeit führt in einem Klassenzimmer dazu, dass die Lehrkraft lauter spricht, um die Schüler besser zu erreichen. Aber auch die Schüler verhalten sich in halligen Räumen lauter. Insbesondere bei Gruppenarbeiten wird lauter gesprochen, um sich verständlich zu machen. Die daraus resultierende Unruhe und der höhere Grundgeräuschpegel führen wiederum dazu, dass noch lauter gesprochen wird und sich die Geräuschbelastung weiter erhöht (Lombard-Effekt). Der Schalldruckpegel schraubt sich dadurch immer weiter in die Höhe und führt letztlich zu einer für alle betroffenen Personen extrem unangenehmen Geräuschbelastungssituation.

 

Durch geeignete akustische Maßnahmen lässt sich die Situation jedoch wesentlich ent­schärfen. So lassen sich die pegelerhöhenden Schallreflexionen durch eine schallabsor­bierende Gestaltung von Raumbegrenzungsflächen deutlich verringern. Damit wird zugleich eine wesentliche Verbesserung der Sprachverständlichkeit erreicht und es kann wieder leiser gesprochen werden. Das oben beschriebene gegenseitige Aufschaukeln der verschiedenen Geräusche wird vermieden.

  

3        Maßnahmen

 

Eine wesentliche Grundlage für die akustische Gestaltung von Klassenzimmern ist die Norm DIN 18041 [9], die raumakustische Vorgaben und Empfehlungen für die Gestaltung unterschiedlicher Räume enthält. Die Norm wurde in den letzten Jahren überarbeitet, um die gesetzlichen Vorgaben für das barrierefreie Bauen (Inklusion) und damit die Nutzung der Räume durch Personen mit eingeschränktem Hörvermögen in stärkerem Maße zu berücksichtigen. Danach sollten Klassenräume in der Größe von z.B. 250 m³ bei inklusiven Unterricht Nachhallzeiten im Bereich von 0,4 bis 0,6 s aufweisen (s. auch [8]). Verschiedene Studien empfehlen für Grundschulen und Vorschulen noch geringere Nachhallzeiten von ca. 0,3 s [10].

  

In der Regel lassen sich die genannten Zielvorgaben allein durch eine Deckenfläche mit einem hoch absorbierenden Material erreichen [4, 6, 11]. Dazu eignen sich z.B. ca. 20 mm dicke schallabsorbierende Mineralfaserplatten, wenn sie in mindestens 10 cm Abstand zur Decke montiert werden (z.B. mit Hilfe eines Schienenrasters). In größeren Räumen empfiehlt es sich, nur den Randbereich der Decke und ggf. die oberen Bereiche der Wandflächen schallabsorbierend zu belegen, wie es das Bild 1 zeigt. Durch die Schallreflexionen im mittleren Bereich der Decke werden die für die Sprachverständ­lichkeit bedeutenden hochfrequenten Schallanteile (Konsonanten) besser in den hinteren Teil der Klasse übertragen. Zur Absorption tiefer Frequenzen kann der mittlere Teil der Deckenfläche als Plattenschwinger ausgeführt werden [7]. Um eine optisch einheitliche Deckenansicht zu erreichen, kann man die gesamte Deckenfläche mit einer gelochten oder geschlitzten Abdeckung verkleiden und im mittleren Bereich des Raumes reflektierende Platten hinterlegen.

Bild 1: Ungünstige (a) und   günstige (b und c) Verteilung von Schallabsorptionsflächen (schraffierte Flächen)
 in Unterrichts- und Sitzungsräumen (Quelle: DIN 18041)

Wenn die Maßnahmen in Eigenleistung (Selbsthilfe-Aktion) realisiert werden sollen, bieten sich vor allem Schaumstoffmaterialien an (Melaminharz-Schaumplatten, schwer entflammbar, mindestens Brandschutzklasse B1), die sich relativ leicht zuschneiden und mit handelsüblichen Klebern einfach an die Decke kleben lassen [11]. In verschiedenen Räumen wurden auch durch Holzwolle-Leichtbauplatten (Fa. Heraklith) deutliche Verbesserungen in der Raumakustik erreicht. Besonders wirksam sollten dabei entsprechende Platten in Verbundbauweise mit Mineralfasermaterial sein. Gardinen, Teppiche und gepolsterte Möbel wirken ebenfalls als poröse Absorber, allerdings vor allem bei hohen Frequenzen, so dass sich entsprechende Maßnahmen ungünstig auf die Sprachverständlichkeit auswirken können.

  

Ergänzend zu der schallabsorbierenden Decke kann eine schallabsorbierende Bele­gung des oberen Teiles der Rückwand des Raumes sinnvoll sein [8, 9], da der über die Decke und die Rückwand reflektierte Schall in den vorderen Reihen ggf. mit einer zu großen Verzögerung gegenüber dem direkten Schall eintrifft (mehr als 17 m Weg) und die Ver­ständlichkeit für Sprache dadurch verschlechtert. Darüber hinaus gibt es Empfehlungen zur Realisierung von Plattenabsorbern bzw. Breitband-Kompaktabsorbern, die an den Wandflächen oder in den Raumkanten angeordnet werden sollten und insbesondere die tiefen Frequenzen absorbieren [11, 12].

 

Die Wand hinter dem Lehrer sollte dagegen reflektierend sein, um den Direktschall unter­stützende frühe Reflexionen zu gewährleisten.

 

4        Raumakustikrechner für Klassenzimmer

  

Um die Raumakustik von Klassenzimmern auf einfache Weise prüfen zu können und geeignete Verbesserungsmaßnahmen zu entwickeln, wurde vom Institut für Arbeitsschutz der DGUV (IFA) ein Raumakustik-Rechner erstellt, mit dem sich die Nachhallzeiten berechnen und mit den entsprechenden Vorga­ben nach DIN 18041 vergleichen lassen. Dieses ursprünglich für Klassenzimmer und Gruppenräume von Kindertagesstätten entwickelte Programm wurde inzwischen erweitert auf alle Räume nach DIN 18041, in denen eine gute Hörsamkeit (Verständlichkeit) über mittlere und größere Entfernungen gefordert ist (Räume der Gruppe A). Das sind neben den bereits erwähnten Klassenzimmern und Kita-Gruppenräumen z.B. auch Musikräume, Seminarräume, Hörsäle, Besprechungsräume sowie Sport- und Schwimmhallen, wobei die DIN 18041 jeweils spezifische Vorgaben zu den Nachhallzeiten und den zu einzuhaltenden Toleranzen macht. 

 

Zur Berechnung der Nachhallzeiten müssen die Abmessungen des Raumes, die Art der Begrenzungsflächen (Schallabsorption), die Inneneinrichtung und die Anzahl Schüler eingegeben werden. Falls der Raum bereits eine schallabsorbierende Decke oder entsprechende Wandflächen aufweist, sind diese Flächen mit den Größen und Schallabsorptionseigenschaften einzugeben. Bei der Schallabsorption kann man zwischen drei vordefinierten Schallabsorbern unterschiedlicher Qualität („schlecht“, „mittel“ und „gut“) wählen oder die für das ausgewählte Material vom Hersteller angegebenen Schallabsorptionsgrade eintragen. Falls keine entsprechenden Materialdaten verfügbar sind, kann man auf Tabellenwerke in der Literatur oder auf die Absorptionstabelle im Anhang G der DIN 18041 zurückgreifen. Die für die vordefinierten Schallabsorber angesetzten Schallabsorptionsgrade wie auch die entsprechenden Werte der selbst eingegebenen Schallabsorber sind in einer Tabelle einsehbar.

  

Nach der Eingabe der erforderlichen Daten werden die für den Raum berechneten Nach­hallzeiten in den Oktavbändern von 125 Hz bis 4000 Hz dargestellt, wie es das Beispiel in Bild 2 für einen Klassenraum mit einem Volumen von 220 m³ und einer schallabsorbierenden Decke zeigt. Zugleich zeigt das Programm die nach DIN 18041 empfohlenen Toleranzgrenzen für die Nachhallzeiten an, in diesem Beispiel für einen Klassenraum mit inklusiver Nutzung.

 

Bild 2:  Ergebnisdarstellung des IFA-Raumakustikrechners für ein Klassenzimmer mit einem Volumen von 220 m² und Besetzung mit 25 Kindern

- blaue Kurve: berechnete Nachhallzeiten

- rote Kurven: Unter- und Obergrenzen für  die Nachhallzeit bei inklusivem Unterricht

 

Das vorgestellte Programm erlaubt eine einfache Überprüfung der Raumakustik für bestehende Klassenzimmer, wobei die Eigenschaften von vorhandenen Schallabsorbern z.B. in drei Stufen abgeschätzt werden können. Für eine zuverlässige Prognose der Nachhallzeiten bei der Planung neuer Räume oder der Nachbesserung vorhandener Räume empfiehlt es sich allerdings, mit den vom jeweiligen Hersteller angegebenen Absorptionsgraden zu rechnen, die auf entsprechenden Materialprüfungen basieren.

 

Zwei Beispiele von erfolgreich nachgebesserten Klassenzimmern sind in meiner Publikation "Akustische Gestaltung von Klassenzimmern" im Sicherheitsingenieur 6/2012 [13] beschrieben. Die raumakustischen Maßnahmen wurden im Rahmen eines von der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) durchgeführten Projektes "Gesundheits- und lernförderndes Klassenzimmer" realisiert. Dabei ging es neben der akustischen Gestaltung auch um andere Aspekte der Ergonomie, z.B. um die Möblierung, Belüftung, Beleuchtung und Farbgestaltung des Klassenzimmers.

 

5        Schlussbemerkung

  

Welche Bedeutung die Raumakustik in Klassenzimmern für das Wohlbefinden und die Gesundheit des Lehrpersonals hat, ist vielen Schulträgern möglicherweise gar nicht bekannt. Auch für die Belastung der Schüler und deren Leistungsfähigkeit spielt die Geräuschsituation in der Klasse eine große Rolle. Dabei lassen sich die raumakustischen Verhältnisse in Klassenzimmern in der Regel mit wenig Aufwand deutlich verbessern. Die nach DIN 18041 geforderten Nachhallzeiten sind in der Regel schon allein durch eine schallabsorbierende Deckengestaltung zu erreichen. Diese relativ einfache Maßnahme führt zu einem deutlich reduzierten Geräuschpegel und einer auch subjektiv spürbaren Verbesserung der Sprachverständlichkeit.

  

Literatur

 

[1]   Klatte, M., Hellbrück, J.: Wirkungen von Hintergrundschall auf das Arbeitsgedächtnis Z. Lärmbekämpfung 40 (1993), S. 91-98

[2]   Klatte, M., Sukowski, H., Meis, M., Schick, A. : Effects of irrelevant speech on speech perception and phonological short-term memory in children aged 6 to 7 years. Proceedings of the Joint Congress CFA/DAGA, Strasbourg 2004

[3]   Oberdörster, M., Tiesler, G.: Akustische Ergonomie der Schule. Schriftreihe der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, Fb 1071, Dortmund / Berlin / Dresden 200 

[4]   Hessisches Landesamt für Umwelt und Geologie: Lärmminderung in Schulen. Umwelt und Geologie, Lärmschutz in Hessen, Heft 4, 2. Auflage, Wiesbaden 2007

[5]   Neuman, A.C., Hochberg, I.: Children's perception of speech in rever­beration. Journal of the Acoustical Society of America 72, 1983

[6]   Mac Kenzie D. J., Airey S.: Classroom acoustics. Summary Report 1999. Heriot-Watt University Edinburgh. .. 

[7]   Fasold, W. und Veres, E.: Schallschutz und Raumakustik in der Praxis – Planungsbeispiele und konstruktive Lösungen. Verlag für Bauwesen, Berlin 1998 

[8]   Mommertz, E.: Akustik und Schallschutz – Grundlagen, Planen, Beispiele. DETAIL Praxis. 1. Auflage, Aumüller Druck, Regensburg 2008 

[9]   DIN 18041: Hörsamkeit in Räumen – Anforderungen, Empfehlungen und Hinweise für die Planung. (März 2016) 

[10]   Schönwälder, H.-G., Berndt, J., Ströver, F., Tiesler, G.: Lärm in Bildungs­stätten – Ursachen und Minderung. Schriftreihe der Bundesanstalt für Ar­beitsschutz und Arbeitsmedizin, Fb 1030, Dortmund / Berlin / Dresden 2004 

[11]   Rickes, O., Gemes, A., Helfmann, H.: Reduzierung der Lärmbelastung in Schulen durch Verbesserung der Raumakustik. Unfallkasse Hessen + Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, April 2006 

[12]   Fuchs, H. V.: Weniger Lärm in Kommunikations- und Schulungsräumen.  Lärmbekämpfung 2 (2006) – November, S. 47-56 

[13]   Maue, J.H.: Akustische Gestaltung von Klassenzimmern. Sicherheitsingenieur 6/2012, S. 26-30