Vereinfachte Beurteilungsverfahren

Vereinfachte Verfahren zur Beurteilung der Lärmexposition am Arbeitsplatz

Bild 1:  Lärmpegelkarte und Abgrenzung eines Lärmbereichs in einer großen Holzwerkstatt

(Berechnung der Pegelverteilung nach VDI 3760)

 

1   Einleitung 

Die Ermittlung der Lärmexposition im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung nach der Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung kann je nach Betrieb mit einem erheblichen Aufwand verbunden sein. Die Technischen Regeln zu dieser Verordnung (TRLV) Lärm erlauben jedoch verschiedene Vereinfachungen, z.B. durch Bildung von Gruppen mit gleichartiger Lärmbelastung, durch Annahme einer Lärmgefährdung für alle Beschäftigten in einem Lärmbereich oder für alle Nutzer bestimmter Arbeitsmittel. Vielfach lassen sich auch vorhandene betriebliche Messdaten, angebotene Lärmpegel-Tabellen oder die Angaben von Maschinenherstellern nutzen, so dass man auf eigene Messungen ganz verzichten kann.

Auch die Arbeitsstättenregel ASR A3.7, die die Beurteilung von Arbeitsplätzen bei Lärmexpositionspegeln unterhalb von 80 dB(A) beschreibt, kennt verschiedene vereinfachte Verfahren zur Beurteilung der Geräuschexposition und der Raumakustik. Dazu sei auf meine entsprechende Publikation in der Zeitschrift Sicherheitsingenieur 10/2018 verwiesen. 

  

2   Bildung von Gruppen mit gleicher Geräuschbelastung

 

Grundsätzlich muss der Betrieb für alle Beschäftigten eine Gefährdungsbeurteilung durchführen [2]. Eine wesentliche Vereinfachung ist aber möglich, wenn man Beschäftigte mit gleichartigen Arbeitsbedingungen zu Gruppen zusammenfassen und als Gruppe beurteilen kann. Darauf wird in den Technischen Regeln (TRLV) Lärm, Teil 1 im Abschnitt 3.4 hingewiesen. Auch die DIN EN ISO 9612 [4] empfiehlt im Abschnitt 7.2 die Bildung von Gruppen mit gleicher Geräuschexposition, um damit den Messaufwand zu reduzieren. Danach lassen sich z.B. Beschäftigte orientiert an der Arbeitsbezeichnung, dem Aufgabenbereich oder dem Beruf zu einer Gruppe zusammenfassen. Eine Gruppe kann auch aus Beschäftigten an räumlich getrennten Arbeitsplätzen gebildet werden, z.B. für alle Einschaler eines Bauunternehmens, die auf unterschiedlichen Baustellen eingesetzt sind.

  

Die DIN EN ISO 9612 weist auch darauf hin, dass man sich bei der Bildung der Gruppe am Arbeitsort orientieren kann. D.h. man kann alle Beschäftigten, die sich in einem bestimmten Bereich des Betriebes, z.B. einem Lärmbereich, aufhalten, zu einer Gruppe mit gleicher Geräuschexposition zusammenfassen.

 

In jedem Fall sollte man sorgfältig prüfen, ob die Beschäftigten der Gruppe wirklich vergleichbar lärmexponiert sind. Die Tätigkeiten sollten hinsichtlich Art, Ausmaß und Dauer der Gefährdung vergleichbar sein [3]. Für eine Gruppe aus einem bestimmten Bereich des Betriebes (Arbeitsort) kann man immer dann von einer gleichen Geräuschexposition ausgehen, falls sich die Geräuschpegel an den verschiedenen Arbeitsplätzen des Bereichs nicht nennenswert unterscheiden. Nach DIN EN ISO 9612 sollte die Bildung der Gruppe auch jeweils mit den Beschäftigten und dem Vorgesetzten abgestimmt werden.

  

Wie bereits zu Anfang erwähnt, lässt sich die Lärmexposition für die Gruppe auch ohne gesonderte Messungen ermitteln, sofern der Betrieb über entsprechende eigene Messdaten verfügt, entsprechende Informationen durch die Maschinenhersteller einholt oder auf entsprechende Lärmtabellen oder Literatur zurückgreifen kann. Grundsätzlich besteht immer die Möglichkeit, der Einfachheit halber eine Überschreitung der entsprechenden Auslösewerte anzunehmen (TRLV Lärm, Teil 1, Abschnitt 6.2).

 

Sofern ein Schallpegelmesser zur Verfügung steht, lässt die Geräuschsituation an vielen Arbeitsplätzen jedoch auch mit relativ geringem Aufwand messtechnisch erfassen. Das gilt vor allem für Arbeitsplätze mit nahezu konstanten Schalldruckpegeln und für Arbeitsplätze, an denen nur wenige unterschiedliche Tätigkeiten ausgeübt werden. Für die Gefährdungsbeurteilung einer Gruppe von Beschäftigten mit gleichartiger Lärmexposition sollte es dann ausreichen, die Lärmexposition für einige wenige Beschäftigte zu erfassen und die Ergebnisse auf alle Beschäftigten der Gruppe zu übertragen. Zur Durchführung der entsprechenden Messungen und zur Ermittlung des erforderlichen Umfangs der Messungen sei auf die DIN EN ISO 9612 [4] und die weitergehenden Erläuterungen in [5] verwiesen.

 

 

3   Nutzung der ermittelten Lärmbereiche 

Die Technischen Regeln (TRLV) zum Lärm [3] beschreiben im Teil 1 unter Abschnitt 6.1 ein „vereinfachtes Vorgehen bei der Gefährdungsbeurteilung“, das sich an den ermittelten Lärmbereichen orientiert. Danach kann man entscheiden, dass alle Beschäftigten, die sich in einem Lärmbereich aufhalten, lärmbelastet sind, unabhängig davon, wie lange sie sich dort wirklich aufhalten. Davon betroffen sind sowohl die Beschäftigten, die hier den ganzen Tag an den Maschinen im Einsatz sind, als auch der Meister, der nur gelegentliche Rundgänge durch den Lärmbereich macht. Als Lärmbelastung ist dabei der innerhalb des Bereiches ermittelte höchste ortsbezogene Lärmexpositionspegel anzunehmen. Alle Schutzmaßnahmen müssen sich an diesem Wert orientieren und gelten für alle hier eingesetzten Beschäftigten. Alle Beschäftigten müssen innerhalb des Lärmbereichs einen geeigneten Gehörschutz tragen und regelmäßig zur Gehörvorsorge. 

 

Die Erleichterung bzw. Vereinfachung für die Gefährdungsbeurteilung ergibt sich daraus, dass man sich die aufwändige Ermittlung der Lärmexposition für jeden einzelnen Beschäftigten unter Berücksichtigung der individuellen Expositionszeiten und der verschiedenen Aufenthaltsbereiche sparen kann.

  

Zur Ermittlung und Abgrenzung eines Lärmbereiches kann man so vorgehen, dass man ein Punktraster über den Grundriss des Raumes legt, dort jeweils den ortsbezogenen Lärmexpositionspegel ermittelt und somit ein grobes Bild für die Schalldruckpegelverteilung in dem Raum erhält. Zusätzlich sollte man aber auch direkt an den Arbeitsplätzen der lauteren Maschinen messen, weil die Lärmbelastungen dort noch etwas höher ausfallen können.

 

Bei der Abgrenzung des Lärmbereichs empfiehlt es sich, den Bereich möglichst großzügig mit geraden Linien zu begrenzen, um die Grenzen möglichst einfach ausschildern zu können. Der Einfachheit halber können dabei auch leisere Arbeitsplätze miteingeschlossen oder die ganze Halle als Lärmbereich deklariert werden. Bild 1 zeigt ein Beispiel für die Festlegung eines Lärmbereichs in einer großen Holzwerkstatt (77 x 70 m²). Zur Veranschaulichung der Lärmsituation wurde hier die Schalldruckpegelverteilung in dem Raum mit Hilfe einer Software nach VDI 3760 [6] berechnet.

 

4   Kennzeichnung von Arbeitsmitteln

 

Als eine weitere Möglichkeit zur Vereinfachung der Gefährdungsbeurteilung wird in den Technischen Regeln TRLV zum Lärm (Teil 1, Abschnitt 6.1) eine Kennzeichnung von lauten Arbeitsmitteln beschrieben. Danach wird für alle Beschäftigten, die diese Geräte einsetzen, eine Lärmgefährdung angenommen, auch wenn sie nur ganz kurz damit arbeiten. Als Lärmexposition ist dabei der beim Einsatz mögliche höchste ortsbezogene Lärmexpositionspegel anzusetzen. Für die Kennzeichnung der Arbeitsmittel empfiehlt sich das Gebotszeichen M03 für den Lärmbereich „Gehörschutz benutzen“. Bild 2 zeigt das entsprechende Zeichen, das hier schon vom Hersteller der Maschine im Gerätekoffer angebracht wurde. 

 

Bild 2:  Bohrhammer mit Kennzeichnung für Lärmgefährdung im Gerätekoffer

 

Die Erleichterung bei der Gefährdungsbeurteilung ergibt sich daraus, dass man sich die Ermittlung der personenbezogenen Lärmexposition für alle Nutzer des Arbeitsmittels sparen kann und einfach bei der entsprechenden Tätigkeit von einer Lärmgefährdung ausgeht, so als wenn der Beschäftigte den ganzen Tag mit dem Gerät arbeiten würde. Die tatsächliche Geräuschbelastung für den Beschäftigten mag bei kurzzeitiger Nutzung des Arbeitsmittels niedriger sein. Es ist aber nicht auszuschließen, dass der Beschäftigte im Anschluss an die Nutzung des entsprechenden Arbeitsmittels andere laute Arbeitsmittel einsetzt oder lärmintensive Arbeiten ausführt.

  

Dieses vereinfachte Vorgehen der Kennzeichnung von Arbeitsmitteln hat sich z.B. an vielen Baustellenarbeitsplätzen bewährt. Hier werden alle lauten handgeführten Maschinen und Werkzeuge, z.B. Bohrhämmer und Winkelschleifer, gekennzeichnet und der Beschäftigte kann sofort erkennen, dass er bei der Verwendung dieses Gerätes gefährdet ist und einen Gehörschutz tragen muss. Darüber hinaus gelten natürlich auch die anderen bei dieser Lärmexposition geforderten Schutzmaßnahmen, wie die Unterweisung der Beschäftigten und die Durchführung von Gehör-Vorsorgeuntersuchungen.

 

 

Literatur

[1]  Verordnung zum Schutz der Beschäftigten vor Gefährdungen durch Lärm und Vibrationen (Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung –
LärmVibrationsArbSchV) vom 6. März 2007, BGBl. I, S. 261, letzte Änderung v. 19. Juli 2010, BGBl. I, S. 964

 

[2]  Gesetz über die Durchführung von Maßnahmen des Arbeitsschutzes zur Verbes­serung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Beschäftigten bei der Arbeit (Arbeitsschutzgesetz – ArbSchG) vom 7. August 1996, BGBl. I, S. 1246

 

[3]  Technische Regeln zur Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung – TRLV Teil: Lärm. 1. Fassung: Gemeinsames Ministerialblatt Nr. 18–20/2010 vom 23. März 2010. Neufassung: Gemeinsames Ministerialblatt GMBI Nr. 34/35 vom 05.09.2017

 

[4]  DIN EN ISO 9612: Akustik – Bestimmung der Lärmexposition am Arbeitsplatz;
Verfahren der Genauigkeitsklasse 2 (Ingenieurverfahren). (September 2009)

 

[5]  Maue, J. H.: Lärmmessung im Betrieb – Anleitung zur normgerechten Ermitt­lung der Lärmexposition am Arbeitsplatz und der Geräuschemission von Ma­schinen. Erich Schmidt Verlag, Berlin 2011

 

[6]  VDI 3760: Berechnung und Messung der Schallausbreitung in Arbeitsräumen. Februar 1996